15.5.2023 – OLG Hamm: Hälftige Mithaftung trotz Vorfahrt durch „Wheelie“

OLG Hamm vom 9.11.2022, Az. 11 U 38/22

Ein Motorradfahrer war bei Dunkelheit auf einer Vorfahrtsstraße unterwegs. Ein wartepflichtiger Pkw näherte sich, als der Motorradfahrer einen sog. „Wheelie“ machte, d.h. er führte sein Motorrad dergestalt, dass das Vorderrad abhob und er auf dem Hinterreifen fuhr. Im Bereich der Einmündung kam es zur Kollision.

Der Motorradfahrer forderte Schadenersatz. Er war der Ansicht, keine Schuld am Unfall gehabt zu haben, da er die Vorfahrtsstraße befuhr. Die Versicherung sah das anders, die Sache ging vor Gericht.

Das OLG Hamm entschied, dass den Motorradfahrer eine hälftige Mitschuld treffe.

Zunächst sei natürlich zu berücksichtigen, dass der Wartepflichtige eine Vorfahrtsverletzung begangen habe, die zu einer Haftung führe. Im Einzelfall müsse aber die konkrete Situation betrachtet werden. Es sei zum Unfallzeitpunkt dunkel gewesen und die Silhouette des Motorrades sei durch den Wheelie erheblich verändert worden. Dadurch habe der Wartepflichtige das Fahrzeug nicht gut erkennen können. Ein solches Fahrmanöver im Bereich einer Einmündung sei ebenfalls ein erheblicher Sorgfaltspflichtverstoß, so dass eine hälftige Schadenteilung angemessen sei.